Kleiner Naturkundeexkurs: Als Lotuseffekt, auch Lotoseffekt, wird die geringe Benetzbarkeit einer Oberfläche bezeichnet, wie sie bei der Lotospflanze beobachtet werden kann.Wasser perlt in Tropfen ab und nimmt dabei auch alle Schmutzpartikel auf der Oberfläche mit. Verantwortlich dafür ist eine komplexe mikro- und nanoskopische Architektur der Oberfläche, die die Haftung von Schmutzpartikeln minimiert. (Wikipedia.de)
Seltsam, aber besser kann man auch den „Lotus Effect“ der holländischen Progressive-Gruppe SUN CAGED kaum beschreiben. Das, was in meinen Ohren klingt, ist tatsächlich von äußerst komplexer Natur-fast könnte man von architektonisch geschaffenen Bauten sprechen- und lässt gleichzeitig jenes, was stören könnte, mit sehr reinem, klarem Klang völlig außen vor.
SUN CAGED sind bekannt dafür, ihre Musik nicht nur in der Prog-Metal-Schiene zu halten, was sie auch wieder bei „Lotus Effect“ beweisen: man findet neben einigen Bezügen zu DREAM THEATER und SYMPHONY X auch Elemente, die stark in Richtung Jazz und Fusion tendieren. Manchmal trifft man sogar auf Passagen, in welchen man unweigerlich an IRON MAIDEN und andere Genre-fremden Bands denkt. Das alles wird jedoch so harmonisch kombiniert, dass jeder einzelne Song zur wahren Klangwiese mutiert und das 72-minütige Werk zum kurzweiligen Hörerlebnis wird.
Das Album lässt sich in zwei Teile aufgliedern: Einmal der längere, epische Teil am Anfang, dessen Stücke aus mindestens fünfminütigen Balladen oder groovigen, typischen Prog-Metal-Songs besteht und mit dem 10-Minuten-Epos „Pareidolized“ endet. Darauf folgt der zweite, experimentelle Teil, der fünf ineinander überfließende, kurze, charakteristische Klang-Experimenten beinhaltet, die nicht als selbstständige Songs bezeichnet werden können, sondern eher miteinander verknüpft eine Art vertonte Geschichte bilden. Das ganze endet als Antwort auf den ersten Teil ironisch mit dem Fünfminüter „Let It Wash Away (The Lotus Effect)“.
Ideenreichtum, Experimentierfreude, Virtuosität: SUN CAGED erfüllen jedes der drei Kriterien, die eine gute Prog-Band ausmacht, zu hundert Prozent. Ein stimmkräftiger Sänger, wunderschöne, nie gehörte zweistimmige Gesangsparts und Disharmonien, einzigartige Klangteppiche, die auch nach dem zwanzigsten Durchlauf nicht langweilig werden und obendrein als Ohrwurm ständig in meinem Kopf herumkreisen. Dazu wird eine Atmosphäre geschaffen, die von düster-melancholisch, groovig-schmissig, bis luftig-hell reicht. 9,5 Punkte für ein atemberaubendes Werk! (Coralie)
Bewertung: 9,5 / 10
Spieldauer: 71:44
Label: Lion Music
Veröffentlichungstermin: 17.06.2011