Fear Factory - The Industrialist

fearfactory_industrialistBei den Neo-Thrash-Pionieren kommt das Line-Up scheinbar immer mehr durcheinander, Gene Hoglan ist wieder von Bord und der ehemalige CHIMAIRA-Mann Matt DeVries zupft die vier Saiten. Seit Dino Cazares wieder an Bord ist, entwickeln sich FEAR FACTORY mehr und mehr zu einer Zwei-Mann-Band. Dabei gab es schon im Vorfeld der Rückkehr des Sechssaiters heftige Diskussionen, Prozesse und den Rauswurf für die langjährigen Mitglieder Christian Olde Wolbers und Raymond Herrera. Nach fünfjähriger Pause veröffentlichte man vor zwei Jahren das Comeback  "Mechanize", welches nicht auf ungeteilte Zustimmung stieß. Wohin geht die Truppe mit dem Nachfolger "The Industrialist", der nun in den Läden steht?

Auf den ersten Blick hat sich nicht viel geändert, schon das Cover versprüht diese Kühle, welche die Produktionen der Band schon immer umgab. Und auch im Intro des eröffnenden Titelstücks macht sich diese Stimmung breit. Düstere, verzerrte Gewitterklänge, Spoken-Words-Passagen, gefolgt von wuchtig-epischen Keyboards, aber eben in diesem typischen unterkühlten Soundgewand bestimmen die Szenerie. Dann ein kurzes Zucken der Riffs und das Gewitter geht erst richtig los, die Doublebass rattert unablässig. Burton C. Bell brüllt seine heiseren Vocals aggressiv heraus, bis im Chorus die Doublebass sogar noch dominanter herrscht.
Nicht mehr ganz so hyperpräsent wirkt das Schlagzeug beim folgenden „Recharger", maschinengewehr-artige Salven schieben sich immer wieder in die abgehackten Gitarren von Cazares. Hier kommen ähnlich wie bei „Depraved Mind Murder" auch wieder diese flächigen sakral anmutenden Refrains zum Einsatz, welche man seit den Zeiten von „Self Bias Resistor" benutzt. Diese verleihen dem brutalen Sperrfeuer einen Hauch von Melodiösität, wobei deren kalter Glanz die Atmosphäre zusätzlich unterstützt.

Diese findet man auch in den Groove-Walzen „New Messiah" und „Disassemble" wieder, wobei sich bei denen die Riffs immer wieder mit den Synthesizer-Schwaden duellieren. Überhaupt kommt den Keyboards auf „The Industrialist" mehr Bedeutung zu als nur für die Hintergrundsphärik zu sorgen. Doch die Fans müssen keine Angst haben, hier wird nichts verwässert, sondern nur kleine Klangtupfer eingebaut, die das Album abwechslungsreicher gestalten.
Ebenso stark von elektronischen Elementen geprägt ist „God Eater", welches verstörend zwischen maschinellem Stampfen und flirrenden Gitarren pendelt. Dazu kommt hier dieser tief wummernde Bass besonders zum Vorschein, den Rhys Fulber, der Spiritus Rector an den Reglern immer wieder gerne einbaut. Richtig räudig wird es dann in „Difference Engine", bei dem die Synths zuerst auf die falsche Fährte locken, bevor das Geschredder alles wegfegt. Im Refrain treiben die Gitarren mächtig und verbreiten zusammen mit den Shouts einen Hauch von Punk.

Alles beim Alten bei FEAR FACTORY könnte man meinen und liegt damit noch nicht einmal falsch. Denn von ihrem seit „Demanufacture" eingeschlagenen Weg rückt man auch hier kaum ab. Lediglich die etwas verspielteren Songs brauchen ein wenig länger bis sie zünden. Und am Ende wird es rein elektronisch, „Religion Is Flawed Because Man Is Flawed" führt das Thema von „Disassemble" als sphärisches Instrumental weiter, bevor der lange Ausklang „Human Augmentation" die Motive des Intros wieder aufgreift. Daraus entwickelt sich eine schwere Klangcollage, die langsam mit allerlei Soundscapes vor sich hin mäandert.

Im Vergleich zum Vorgänger klingt der Dreher interessanter, Fulber konnte sich da mehr ausleben und hat auch die Drums programmiert. Das fällt bei dem gewohnt getriggertem Sound aber weniger auf. In der Gesamtheit weiß „The Industrialist" besser zu gefallen als „Mechanize", kann aber nicht mit zwei solchen Hits wie dessen Titeltrack und „Powershift" aufwarten. Anhänger der Band können hier aber nichts falsch machen, auch wenn die Großtaten der Neunziger nicht mehr erreicht werden. (Pfälzer)


Bewertung: 7 / 10

Anzahl der Songs: 10
Spielzeit: 49:34 min
Label: AFM Records
Veröffentlichungstermin: 01.06.2012