Zuletzt noch unter dem Banner “Metal Masters” und nun offiziell im Rahmen ihrer “Invincible Shield”-Tour kann ich an diesem Abend erneut den Metal-Göttern JUDAS PRIEST dabei zusehen, wie sie zusammen mit den legendären SAXON die SAP-Arena in Mannheim zum Beben bringen. Und zumindest für meinen Geschmack gelingt das an diesem Abend noch einen Deut besser als in Frankfurt.
SAXON
Etwas früher als erwartet startet das Intro von SAXON bereits um 19:50 Uhr und die Arena ist noch nicht gänzlich gefüllt, da viele wohl erst mit einem Beginn um 20 Uhr gerechnet haben. Da URIAH HEEP bei diesem Tourstop nicht mit an Bord sind, können die “mighty” SAXON aber immerhin eine ganze Stunde ihre Fans verwöhnen. Und verwöhnen ist hier das richtige Wort, denn die Band bietet ein wahnsinnig klassikerlastiges Set. Der Schwerpunkt liegt dabei auf ihren Achtziger-Werken mit zwei Ausflügen zum aktuellen Longplayer “Hell, Fire and Damnation”. Einerseits gut, könnte man dies andererseits auch kritisieren. Denn die Band lässt zum Teil großartige Songs der 90er-Phase und 2000er-Phase komplett aus. Was etwas schade ist, da auch dort wahnsinnig gutes Songmaterial entstanden ist. Eine Last, die niemals gänzlich zu beheben ist, es ist eben schwierig, wenn eine Band zu viele gute Songs besitzt.
Mit jenem Titelsong läutet die Band ihr Set ein und startet mit einem unfassbar guten und druckvollen Sound. Dabei sticht besonders Sänger Biff Byford hervor, der mit stolzen 73 Jahren zwar nicht mehr so agil über die Bühne rennt wie früher, dafür aber noch immer gesanglich in Topform ist. Es gibt gewiss nur wenige Sänger, die bis ins hohe Alter eine wahnsinnig gute Gesangstimme behalten, Biff zählt genau so dazu wie einst Ronnie James Dio.
Gitarrist Brian Tatler (DIAMOND HEAD) gehört inzwischen fest zum SAXON-Bild, auch wenn das SAXON-Urgestein Paul Quinn natürlich weiterhin schmerzlich vermisst wird. Dennoch werfen sich Brian und Doug die Soloparts nur so zu, und es macht richtig Laune, den beiden dabei zuzusehen, wenn sie gemeinsam in bester Twin-Guitar-Manier die Dual-Lead-Parts spielen. Es kommen an diesem Abend also auch die Gitarristen im Publikum voll auf ihre Kosten, denn nicht nur bei SAXON stehen Dual-Lead-Parts hoch im Kurs.
Bassist Nibbs Carter scheint auch kein bisschen zu altern, oder zumindest seine Nackenmuskulatur, denn noch immer vollführt der inzwischen in Deutschland lebende Brite den Propeller auffällig häufig. Auch Schlagzeuger Nigel Glockler macht weiterhin eine verdammt gute Figur, auch wenn er an diesem Abend trotz der längeren Spielzeit kein komplettes Schlagzeugsolo präsentieren kann.
Für “Crusader” hüllt sich die Band erneut in die Kutten, die von den Fans aus der ersten Reihe auf die Bühne geworfen werden, die Biff später wieder zurückgibt nach “Wheels Of Steel”. SAXON haben noch diese gewisse Fannähe, was nicht nur das Beispiel mit den Kutten zeigt. Während “Denim And Leather” verteilt Biff in den ersten Reihen ein wenig Wasser, und generell hält die Band sehr guten Kontakt zum Publikum. Nach dem famosen Abschluss mit “Princess Of The Night” verabschieden sich die Herren und lassen mich einmal mehr ein wenig fassungslos zurück. Wie funktioniert es, dass eine Band mich jedes Mal aufs Neue derart live überzeugen kann und gefühlt im hohen Alter weiterhin besser und besser wird? Man sollte vermutlich einen Wein nach dieser Band benennen.
Setlist SAXON:
Hell, Fire and Damnation
Motorcycle Man
Power and the Glory
Madame Guillotine
Heavy Metal Thunder
Crusader
Strong Arm of the Law
Denim and Leather
Wheels of Steel
And the Bands Played On
747 (Strangers in the Night)
Princess of the Night
JUDAS PRIEST
Nach einer kurzen Umbaupause erklingt um 21:20 Uhr standesgemäß der BLACK SABBATH Klassiker “War Pigs” laut aus den Boxen, und jeder in der SAP-Arena erkennt nun unweigerlich “The Priest Is Back”. Kurz darauf wird es dunkel, das Intro zu “Panic Attack” erklingt und auf der Bühne ist das Banner zum neuen Album “Invincible Shield” zu sehen. Nachdem dieses fällt, wird die Band enthüllt, die eng beieinander am Drum-Podest steht. Die Band steigt musikalisch stark in die erste Single vom aktuellen Album ein, wie bereits in Frankfurt klingt dieser live deutlich stärker als in der Studioversion. Dennoch hat man über “You’ve Got Another Thing Coming” und “Rapid Fire” das Gefühl, dass der Gesang von Rob Halford ein wenig zu viel Hall hat und vom Sound her noch nicht zu 100% passt.
Das ändert sich spätestens zu “Breaking The Law”, und auch wenn ab dann weiterhin viel Hall auf seiner Stimme liegt, lassen sich seine hohen Screams, von denen ich den ersten richtig bei “Riding On The Wind” wahrnehmen kann, gut vernehmen. Ebenfalls bei “Riding On The Wind” gibt es ein traumhaftes klassisches Dual-Lead Solo von Richie Faulkner und Andy Sneap.
Auch wenn ich K.K. Downing und Glenn Tipton nach wie vor extrem nachtrauere, erledigen Richie und Andy einen unfassbar guten Job und ich bin heilfroh, dass die beiden die Posten perfekt übernommen haben. Ich würde sogar so weit gehen, dass wir es schlussendlich Richie zu verdanken haben, dass JUDAS PRIEST heute noch derart stark ist. Nach der “Nostradamus”-Tournee und dem Ausstieg von K.K. Downing strauchelte die Band, vor allem was Live-Konzerte angeht, ein wenig. Das ist unter Fans keineswegs ein Geheimnis, und inzwischen sind JUDAS PRIEST vor allem live wieder eine richtige Macht. Natürlich wird die Stimme des nun schon 72-jährigen Rob Halford technisch stark von Effekten unterstützt, aber noch immer bietet er eine wahnsinnige Gesangsleistung, was sich an diesem Abend noch mehrfach zeigen wird. Wenn man sich vor Augen hält, dass wir 2024 noch immer in einer Halle stehen und uns diese legendäre Band ansehen können, kann man gar nicht anders als freudestrahlend dem Konzert zu folgen.
Nach “Riding On The Wind” folgt mit “Love Bites” ein Ausflug zu “Defenders Of The Faith”, der an diesem Abend leider der einzige bleiben wird. Denn auch JUDAS PRIEST leiden unter dem gleichen Problem wie Saxon, zu viele zu gute Songs. Und auch wenn jemand wie ich zum Beispiel gerne auf Hits wie “Breaking The Law” verzichten könnte, gibt es eben immer noch viele, die genau diese Songs live hören wollen oder möglicherweise zum ersten Mal in den Genuss eines JUDAS PRIEST-Konzertes kommen. Daher ist die Diskussion über die Setlist bei JUDAS PRIEST stets eine, bei der man sich im Kreis dreht.
Nicht so die Band, denn die haut mit “Devil’s Child” gleich den nächsten Knaller ins Publikum, und so rückt auch “Screaming For Vengeance” kurz in den Fokus. Zwar würde ich mir hier nach wie vor mal wünschen, den Titelsong live zu sehen, aber “Devils Child” ist immer wieder ein Genuss für mich. Noch dazu unterscheidet sich die Setlist an diesem Abend von der “Metal Masters”-Tour. Ähnlich steht es bei mir um das grandiose “Saints In Hell", das seit ein paar Jahren wieder Einzug in die Setlist der Band hält und Halford live noch einmal zeigen kann, warum er unangefochten “Metal God” genannt wird. Für mich sind es gerade diese Songs, die JUDAS PRIEST ausmachen. Natürlich erfreut sich "Painkiller" größter Beliebtheit, aber auch auf den Frühwerken, die ich wie ein Schwamm aufsaugte, als ich zum ersten Mal mit ihnen in Kontakt kam, bieten jene hohe Screams die zum Sound von JUDAS PRIEST fest dazu zählen.
Im Anschluss an diesen Ausflug zu “Stained Class” spielt Richie das grandiose Intro zu “Crown Of Horns” das ein Tribut an VAN HALEN darstellt und einfach verdammt cool ist. Ähnlich steht es um den Song selbst, der live, wie schon der Opener, noch eine Spur stärker ist als auf Platte. Und erneut wandern JUDAS PRIEST zurück zu den Frühwerken, genauer gesagt zu “Sin After Sin” und präsentieren mit “Sinner” eine weitere sehr Scream-lastige Nummer. Das Schluss-Solo wird dabei von Andy Sneap gespielt.
Der einst so gehasste Song “Turbo Lover” hat sich schon lange zu einer festen Instanz in jedem PRIEST-Set gemausert und ist nicht mehr wegzudenken. So laut wie bei diesem Song singt das Publikum an diesem Abend kaum bei einem anderen mit. Hier sollte auch nicht daran gespart werden, das großartige Bühnenset der Tour kurz zu erwähnen. Denn neben den regulären Aufbauten auf der Bühne nutzt die Band die vier Videoleinwände im Hintergrund perfekt. Entweder sind Nahaufnahmen der Band selbst zu sehen oder passende Videos zum jeweiligen Song, die zusätzlich mit dem Licht ein perfektes Bild erzeugen.
Rob nutzt die gute Stimmung nach “Turbo Lover” für eine kurze Ansage an die Fans, bei denen er sich mehrfach von Herzen für die Unterstützung bedankt, denn ohne die Fans wären JUDAS PRIEST nicht denkbar. Er zieht kurz Bilanz zur Diskografie und wie lange die Band bereits aktiv ist, um anschließend nochmal zum aktuellen Album “Invincible Shield” zu lenken und davon den famosen Titelsong zu präsentieren. Es ist unfassbar, wie gut sich dieser Song in das Set der Band einfügt und einmal mehr wird mir klar, wie gut die aktuelle Platte eigentlich ist.
Mit “Victim Of Changes” folgt anschließend der ultimative Tribut an Glenn Tipton und ein weiterer Ausflug in die sehr frühe Phase der Band zum Album “Sad Wings Of Destiny”. Die Gitarrenarbeit von Richie und Andy glänzt hier besonders und der Abschluss-Scream von Rob Halford sorgt für Begeisterung im Publikum. Er hat es eben immer noch drauf, Sound-Effekte hin oder her. Nun nimmt Rob zum bekannten “Oh yeah”-Mitsingteil mit dem Publikum aus, bevor die Band mit “The Green Manalishi” einen weiteren Klassiker vom Stapel lässt.
Danach geht es in den Encore und Scott Travis erkundigt sich beim Publikum, welchen Song sie hören wollen. Aus den angeblichen “We got three more” werden schließlich vier. Begonnen mit "Painkiller", bei dem erneut Glenn Tipton über die Leinwände huscht, und auch wenn es mir als großer Priest-Fan schwer fällt, muss ich der Band hier ein wenig ankreiden, dass K.K. Downing vollständig ignoriert wird. Auch wenn das Verhältnis zwischen JUDAS PRIEST und dem Ex-Gitarrist ein schwieriges ist, war dieser Gründungsmitglied und hat einen großen Anteil am Gesamtwerk der Band. Ein wenig traurig, wie damit umgegangen wird, aber auch die Ripper-Ära wird ja stets vollständig ignoriert, was nochmal ein ganz eigenes Thema ist. Doch genug der Kritik, “Painkiller” kommt gut an und auch die Performance von Rob ist gut, seit einigen Jahren präsentiert er den Song live wieder deutlich stärker. Wo ich mir einst wünschte, die Band würde ihn live einfach auslassen, bin ich inzwischen wieder mehr als zufrieden.
Gefolgt mit der beliebten Harley-Einlage wird “Hell Bent For Leather” eingeleitet, und mit “Living After Midnight” verabschiedet sich die Band ausufernd von ihren Fans und um kurz nach 23 Uhr geht ein weiteres gutes Konzert einer Band zu Ende, von der ich einfach nicht loskommen will. Nicht nur, dass ich aufgrund von “British Steel” damals die Motivation fand, selbst meine Fertigkeiten auf der Gitarre zu stärken, hat sich über die Jahre ein starkes Band zwischen mir und der Musik von JUDAS PRIEST entwickelt und das, obwohl ich sonst dem meisten neuen klassischen Heavy Metal nicht mehr ganz so verbunden bin.
Bleibt zu hoffen, dass der große Schriftzug, der zum Ende hin auf der Leinwand zu sehen ist, "The Priest Will Be Back” Wort halten wird und dass wir die Band noch einige Jahre live begleiten können. Auch wenn von der Ur-Besetzung leider nur noch Ian Hill mit von der Partie ist. (Pascal)
Setlist JUDAS PRIEST:
Panic Attack
You've Got Another Thing Comin'
Rapid Fire
Breaking the Law
Riding on the Wind
Love Bites
Devil's Child
Saints in Hell
Crown of Horns
Sinner
Turbo Lover
Invincible Shield
Victim of Changes
The Green Manalishi (With the Two Prong Crown)
Painkiller
The Hellion
Electric Eye
Hell Bent for Leather
Living After Midnight
(Fotos: Pascal)