The Who Live in Barcelona 14.06.2023 - ein Erlebnisbericht

TheWhoLiveBarcelona 00Sieben Mal durfte ich eine der größten noch existierenden Rockbands aller Zeiten live erleben, zwar ohne den unvergleichlichen Drummer Keith Moon, dafür aber noch mit dem 2002 ebenfalls viel zu früh verstorbenen Bassisten „The Ox“, John Entwistle. Mein letztes Konzert der THE WHO fand dann 2016 in Stuttgart statt. Danach war es lange ruhig um die Band und die Auftritte wurden in Europa seltener. Es gab Gerüchte zu angeblich fortgeschrittener Schwerhörigkeit von Pete Townsend und während der Corona-Krise wurden die beiden noch lebenden Band-Protagonisten Pete Townshend und Roger Daltrey auch nicht jünger.

 

 

 

 

 

 


Als sie jetzt nach gefühlt endloser Europa-Pause dann einige wenige Termine ankündigten, war für mich klar, dass ich dabei sein werde, um vielleicht noch ein letztes Mal Helden meiner Jugend gebührend zu feiern obwohl die Band damals bereits „Oldie-Status“ genoss. Ich wollte noch einmal in der Erinnerung schwelgen, wie ich „Hope I Die Before I Get Old“ zu den ohrenbetäubend lauten Klängen der Boxen in Jugendzentren gebrüllt hatte, Ich wollte noch einmal die von Pete Townshend entwickelte Kunstform des Lärms zumindest in der Vorstellung erleben, seine Arroganz, die ungeheure Aggression, der Lärm, der das Publikum zum Schweigen brachte, die Zerstörungswut gegen Verstärker und das Zerschmettern der Gitarren. Wie gesagt, es sollte eine Hommage an die verlorene Jugend werden und diese Bilder würden sich beim Konzert im Kopf abspielen, auch Jahrzehnte später.

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Da Berlin für mich persönlich als Austragungsort des einzigen Deutschlandkonzertes nicht in Frage kam, suchte ich mir Barcelona aus, eine der schönsten Metropolen Europas, wo moderne Großstadt und mediterraner Flair perfekt harmonieren. Hier sollte auch das einzige THE WHO-Konzert Spaniens in der Multifunktionsarena Palau Sant Jordi stattfinden, die anlässlich der olympischen Sommerspiele 1992 errichtet wurde.

TheWhoLiveBarcelona 02.jpgPete Townshend machte gegenüber den Medien keine Zukunftsprognosen, gibt sich keinen Illusionen hin und erklärte:“ Wir sind alt“ und Roger Daltrey fügt hinzu, dass „man sich in einer Phase befinde, in der der Ruhestand immer näher rückt“. Er stellte aber auch klar, dass die Liveaktivitäten ausschließlich von der physischen Verfassung der fast 80-jährigen Originalmitglieder abhängig sind (Roger Daltrey dazu:"Ich habe immer gesagt, dass man dieses Geschäft nicht aufgibt, es gibt dich auf").

Das war der Ansporn und ich rief einen meiner besten Kumpel an, der seit 35 Jahren auf Gran Canaria lebt und arbeitet. Gerhard, mit dem ich in der Jugend jede Nacht zum Tag machte, ich bei Besuchen seiner früheren Arbeitsstellen in diversen Robinson Clubs, den ein oder anderen um den Verstand brachte und viele von ihrer Arbeit abhielt; der Freund, bei dem ich zugegen war, als er seine Frau kennen lernte und mit dem ich, auch wenn man sich ein Jahr aufgrund der Entfernung nicht gesehen hat, sofort wieder 20 bin. Mit ihm wollte ich also dieses exklusive Konzert erleben und nebenbei vielleicht mal wieder die ein oder andere Rockkneipe mit unserer Anwesenheit belästigen.

Ich rief ihn an und sagte wie Pete Townshend zu Roger Daltrey: Gerhard, wir sind alt und der Ruhestand rückt näher, also lass uns mal drei Tage sehen, was noch geht und mit den THE WHO an „Amazing Journey“ machen. Die Überzeugungsarbeit dauerte ca. eine Minute und am 14. Juli quälten wir uns gemeinsam hunderte von Stufen zum Palau St. Jordi hinauf, natürlich schon bestens eingestimmt mit Bier, Wein und Wermut.

Vorweg kann ich sagen, dass es ein unglaubliches und legendäres Konzert war und weder Pete Townshend noch Roger Daltrey auch nur ansatzweise wie künftige Rentner erschienen. Die Fachpresse hatte bereits verkündet, dass Roger Daltrey unfassbar gut bei Stimme sei. Und eine Spielzeit von über zwei Stunden, ohne Pause, ist heutzutage schon sehr unüblich und zeugt von Respekt gegenüber den Fans. Die Tour, die unter dem Namen „THE WHO HITS BACK“ mit komplettem Sinfonie Orchester gespielt wird, sollte zu einem unvergesslichen Abend für die 8500 Fans werden und kann deklariert werden mit dem Credo: „Der Lärm des Rocks trifft die Wucht des Orchesters“. "Es hat etwas Magisches, wenn das Orchester diesen vollen THE-WHO-Sound spielt", schwärmt Daltrey. "

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Fans der jungen Generation waren hier kaum vorhanden, die „letzte Generation“ wird irgendwo sinnfrei auf einer Straße geklebt haben, aber eine treue, grauhaarige, überwiegend männliche Fan-Schar mit THE WHO-T-Shirts aller Dekaden, bestens gelaunt und sichtlich angeheitert, schleppten sich ebenfalls zielstrebig über die endlose Treppe zum Palau Sant Jordi. Ich fand es wieder höchst interessant, diese Menschen zu beobachten, die so zufrieden, alt und dennoch jung wirkten und die alle gemeinsam die Hingabe zu dieser einzigartigen Band teilten.

Unterstützt wurden die beiden Urgesteine natürlich von namhaften, teilweise lang in der Band integrierten Ausnahmemusikern, unter vielen anderen dem Sohn von Ringo Starr, Drummer Zak Starkey, der voll konzentriert in manischer Art die Felle traktierte, und schon Reminiszenzen an Keith Moon weckte, dem fantastischen Bassisten Jon Button, oder dem Bruder von Pete, Simon Townshend an der Gitarre, der auch das Vorprogramm solo bestritt. In Spanien sorgte das ORQUESTA`SINFONICA DES VALLES für einen beeindruckenden und tiefen Sound zu den teilweise eh schon sinfonischen Rock-Epen aus „Tommy“ oder „Quadrophenia“.

Und so wurden die Zuhörer Zeugen eines furiosen Auftaktes mit Themen der Rockoper „Tommy“. „Overture“, „Amazing Journey“, „Sparks“, „Pinball Wizard“ und „We're Not Gonna Take It“ sorgten für Gänsehaut durch die perfekte Symbiose von Klassik und Rock. Eine Sinfonie aus Cellos, Violinen, Waldhörnern…und zwischendrin holt Pete Townshend plötzlich aus zur berüchtigten „Windmühle“ und lässt eines seiner brachialen, immer noch extrem harten und lauten Rock-Riffs einschneiden…absolut genial und surreal.

Natürlich stehen hier sind nicht mehr die wütenden THE WHO von 1969. Sie sind aber in Würde gealtert und haben ihre Jugendrevolutions-Hymne textlich abgewandelt. So singen sie heute „Hope I Get Old Before I Die“. Allerdings sollte „My Generation“ nicht zum Repertoire an diesem Abend gehören. Townshend erklärte zur aktuellen Tour-Situation im Interview: „Es trifft genau, was wir tun wollten: Weitergehen, mit neuer und klassischer THE WHO-Musik, die in neuer und spannender Art auf die Bühne gebracht wird“.

Und so mutiert die Show an diesem Abend zum Triumphzug dieser stilprägenden Band. Nach dem extrem bejubelten „Who Are You“ folgt „Eminence Front“ und „Ball and Chain“ vom letzten Studioalbum. Dann verlässt das Orchester fürs Erste die Bühne und die Band lässt ein Gewitter von Hits los, so dass die gesamte Halle trotz fortgeschrittenen Alters der Besucher nicht auf den Sitzen zu halten ist und offensichtlich jede einzelne Textpassage mitsingen kann. „You Better You Bet“, „The Seeker“, „I Can See For Miles“, „Substitute“, „Another Tricky Day“, „Won't Get Fooled Again“ und „Behind Blue Eyes“ lassen keine Wünsche offen. Wie bereits erwähnt, ist das Stimmvolumen sowohl von Roger Daltrey als auch von Pete Townshend überwältigend und eine perfekt eingespielte Band spielt absolut fehlerfrei.
Zum Endspurt kehrt das grandiose Orchester zurück und wird ausgiebig von Roger Daltrey vorgestellt, allen voran die herausragende Solo-Violinistin und die Solo-Cellistin. Perfekt auf das Orchester abgestimmt, welches den Part der Synthesizer und Streicherkeyboards des Albums übernimmt, setzt der Block mit ausgesuchten Songs aus dem Konzeptalbum „Quadrophenia“ ein. Zum Niederknien verschmelzen Rock und Klassik bei „The Real Me“, „I'm One“, „5:15“, „The Rock“, „Love, Reign O'er Me“.

Fulminat endet das Konzert mit einer sehr ausgedehnten Fassung von „Baba O` Riley“ vom „Who`s Next“-Album, dem großen, programmatischen Song der Rock-Ära.

Und was bleibt? Natürlich, dass es weitergeht und Roger Daltrey und Pete Townshend noch lange die Welt mit ihrer einzigartigen Rockmusik beglücken könnten. Sie müssen ja keine Gitarren mehr zertrümmern. Das wäre bestimmt im Sinne von Keith Moon und John Entwistle, die vielleicht ja jedes Konzert verfolgen; wer weiß das schon.

Und mein Kumpel Gerhard und ich waren nach dem Konzert deutlich jünger und lebenslustiger als zuvor. Der Abend endete standesgemäß als Mitglieder der vorletzten Generation, die sich am Tresen festklebt. Falls ein Leser einmal Barcelona besucht, sollte er in der besten Rockkneipe der Stadt feiern, der Bar Sincopa im Altstadtviertel Barri Gotic. Jedenfalls waren wir die letzten mit viel Chupitos aufs Haus und natürlich nicht, ohne dass die fantastische Bedienung für uns „My Generation“ in anständiger Lautstärke auflegte. (Bernd Eberlein)

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Setlist The Who:

Set 1 mit Orchester:
Overture
1921
Amazing Journey
Sparks
Pinball Wizard
We're Not Gonna Take It
Who Are You
Eminence Front
Ball and Chain

Set 2 ohne Orchester:
You Better You Bet
The Seeker
I Can See for Miles
Substitute
Another Tricky Day
Won't Get Fooled Again
Behind Blue Eyes

Set 3 mit Orchester:
The Real Me
I'm One
5:15
The Rock
Love, Reign O'er Me
Baba O'Riley

(Fotos. Ebi)

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