Interview mit Charly (Paradox)

Seit über 40 Jahren bringt die deutsche Metal-Institution PARADOX kontinuierlich starke Alben raus. Auch 2025 gibt’s ein brandneues Album namens „Mysterium“, mit dem Unterschied, dass Bandkopf Charly Steinhauer alles im Alleingang gemacht hat. Da muss selbstverständlich nachgehakt werden.

Ralf: Grüß Dich Charly! Du hast ja einige gesundheitliche Schicksalsschläge hinter Dir, wie geht’s Dir im Moment?

Charly: Danke! Es geht mir derzeit recht gut. Das war nicht immer so, denn neben den gesundheitlichen gab es auch zahlreiche seelische Schicksalsschläge zu verarbeiten. Die Musik schafft es aber immer wieder Kräfte in mir zu wecken, die mir helfen mich da raus zu boxen. Es ist kein Klischee zu behaupten, dass jeder Fan, der meine Kunst und Kreativität unterstützt, seinen Teil dazu beiträgt, dass es mir trotz dieser Umstände gut geht. Es bewirkt seelische Wunder, wenn mir z.B. jemand schreibt, dass ein PARADOX Album wie „HERESY“ sein Lieblingsalbum aller Zeiten geworden ist. Diese Leute halten PARADOX am Leben, geben mir Kraft und ich bin ihnen unendlich dankbar dafür.

Ralf: Das neue Album „Mysterium“ hat mich echt geplättet, ein so zorniges und heftiges Werk hätte ich so gar nicht erwartet, vor allem da man im Vorfeld erfährt, dass Du alles selbst gemacht hast.

Charly: Das wichtigste Grundsatz galt für mich generell, dass ein neues PARADOX Album auch 100% nach PARADOX klingen muss, sonst lasse ich keine Veröffentlichung zu, nur um ein Album mehr im Schrank zu haben. Stilbruch ist ein absolutes No Go für mich. Das erwarte ich als Fan auch von meinen Lieblingsbands.
Die teilweise düstere Stimmung auf „MYSTERIUM“ ist eigentlich textbezogen, aber auch ein stückweit darauf zurückzuführen, das heftig erlebte musikalisch zu verarbeiten.

Ralf: Warum hast Du dich für den Alleingang entschieden und wieso hast Du Dich vom Rest der PARADOX-Musiker getrennt?

Charly: Der Alleingang war nicht geplant und ich habe mich auch von niemanden getrennt. Als ich die Songs für „MYSTERIUM“ komponierte, habe ich neben den üblichen Gitarren zum ersten mal auch gleich den Bass mit aufgenommen, um für mich selbst zur Kontrolle der Songs einen kraftvolleren Sound zu haben. Da bei mir alles exakt auf den Punkt kommen muss, waren die Aufnahmen schon sehr gut. Ich hatte mir richtig Mühe gegeben den Bass auch so zu spielen wie man einen Bass spielen muss und nicht wie eine Gitarre. OLLY KELLER sollte den Bass wieder einspielen, aber als ich ihm die Aufnahmen schickte, wollte er nicht alles nochmal aufnehmen, weil der Bass in seinen Augen perfekt eingespielt war. AXEL BLAHA sollte die Drums aufnehmen, aber war aufgrund seiner heftigen Depressionen psychisch nicht mehr in der Lage dazu. Er bat mich die Drums zu programmieren wie er es gespielt hätte. Es erfordert jahrelange Erfahrung um digitale Drums auf diesem Level zu programmieren und man muss im Kopf ein Drummer sein. Ich habe vor 50 Jahren mit Drums in der Schule begonnen. Das war mein erstes Instrument, bevor ich Gitarrist wurde. Somit waren alle Voraussetzungen dafür geschaffen die Drums zu programmieren und bin mit dem Resultat sehr zufrieden. CHRISTIAN MÜNZNER war in der Zeit dermaßen mit anderen Projekten beschäftigt, dass ich zu lange hätte warten müssen bis er die Solos für das Album aufnimmt. AXEL und OLLY legten mir dann Nahe auch die Solos aufzunehmen, da ich eh schon alle Instrumente aufgenommen hatte. Es war nicht leicht so einen guten Gitarristen wie CHRIS zu ersetzen, aber es ist mir würdig gelungen. Ich hab alles gegeben. Letztendlich ging es grundsätzlich darum „MYSTERIUM“ fertig zu stellen.
AXEL BLAHA ist 2023 auf tragische Weise ums Leben gekommen, als alle Songs komponiert waren. Es gab also keine offizielle Trennung. Auch nicht mit OLLY und CHRISTIAN. Es wäre nicht die erste Auszeit, die sich OLLY KELLER genommen hat, denn auf „PANGEA“ war TILEN HUDRAP zu hören, ehe OLLY für „HERESY II“ wieder zurückgekehrt ist. Auch CHRISTIAN MÜNZNER war auf „TALES OF THE WEIRD“ und erst wieder später auf „HERESY II“ zu hören. Es ist alles möglich und ich schließe für die Zukunft nichts aus.

Ralf: Wie verliefen die Aufnahmen? Ich vermute stressig...?

Die Kompositionen verliefen eigentlich sehr entspannt, weil ich einen Flow an Ideen hatte. Als ich den ersten Song komponiert hatte wollte ich unbedingt hören wie wohl der 2. Song klingen wird und so habe ich alle Songs nacheinander komponiert und die Basic Gitarre/Bass gleich sauber mit aufgenommen. Die Arbeit an den Drums war schon mühseliger und hat viel Zeit gekostet. Der Bass ist mir locker von der Hand geflutscht, aber die Solos waren eine echte Herausforderung. CHRISTIAN ist ein Biest an der Gitarre und ich wollte unbedingt, das hohe Niveau halten. Er hat einen anderen Stil als ich, aber es ist mir gelungen die Brücke zwischen ihm und mir zu schlagen. Sollte CHRIS beim nächsten Album wieder dabei sein, würde es ein Gitarrenduo of Hell geben. Ich glaube wir würden uns sehr gut ergänzen und uns einen geilen Solo nach dem anderen um die Ohren fetzen.

Ralf: Vor allem beim Drumsound gibt’s ja viele, die sagen, Thrashmetal sollte einen natürlichen Schlagzeugsound haben ohne Trigger etc..

Danke, dass du das ansprichst. Was auf einem Thrash Album zu sein hat bestimmt niemand, denn es gibt die künstlerische Freiheit und wenn es jemanden nicht gefällt, kann er sich gerne etwas anderes anhören. Das mal als Überschrift. Das Haar in der Suppe zu suchen ist armseliges Verhalten und wird oft von Neid begleitet. Digitale Drums auf einem Album ist heutzutage wirklich nichts neues mehr, aber „live“ würde ich natürlich nicht auf einen Drummer verzichten wollen. Fast jede Band rückt das Schlagzeug im Studio. Auch ein Lars Ulrich. Neulich habe ich aus internen Kreisen gehört sogar ein Gene Hoglan. Was soll das mittlerweile langweilige Gelaber mit Drums bzw. dieses komische Wort „Drumcomputer“? Entweder mir gefällt ein Song oder er gefällt mir nicht. Vollkommen unabhängig, wer den Song aufgenommen hat und mit welchen Mitteln er ihn aufgenommen hat. Wenn der Sound stört ist das etwas anderes, aber der Song bleibt der gleiche!!! Ich hätte auch lieber AXEL auf dem Album gehört, aber das war nicht mehr möglich. Dann schnell einen „fremden“ zu engagieren kam für mich alleine schon aus Respekt für ihn nicht in Frage. Deswegen hab ich alles reingehauen, um die Drums so gut wie möglich wie einen echten Drummer klingen zu lassen. Das Ergebnis kann sich hören lassen. Das passt einfach so wie es sich zum Song dienlich gehört.

Ralf: Ist es jetzt ein weiteres Konzeptalbum, wenn ja um was geht’s kurz umrissen?

Charly: Nein „MYSTERIUM“ ist kein Konzeptalbum. Es zieht sich wohl textlich ein roter Faden in Form von mystischen und wahren Ereignissen die mich bewegt haben durch das Album, aber es werden auch andere Themen behandelt wie z.B. beim Titeltrack „MYSTERIUM“, bei dem es um Traumdeutung geht. Bei „PILE OF SHAME um Selbstzerstörung oder bei "THE DEMON GOD" um Selbstkontrolle.

Ralf: Als Fan, der ersten Stunde würde mich mal interessieren, was Dich motiviert nach über vierzig Jahren PARADOX noch am Leben zu halten? Hattest Du mal Phasen, alles hinzuschmeißen?

Charly: Musik ist meine Berufung und meine Leidenschaft die mich durch mein Leben führt. Mit Musik konnte ich meinen Jugend und Lebenstraum erfüllen und sogar bei weitem übertreffen. Die Wertschätzung der Fans ist mit Geld und Ruhm nicht zu bezahlen. Sie motivieren mich immer wieder aufs Neue, indem sie meine Kreativität zu schätzen wissen und es mich wissen lassen. In den 44 Jahren gab es schon mehrmals eine Phase aufzuhören.
1991 geschah das, als wir unseren Plattenvertrag bei „ROADRUNNER RECORDS“ verloren. Nach meiner Herz OP dachte ich auch daran, aber habe mich wieder zurück gekämpft. Zuletzt dachte ich daran, als AXEL BLAHA, mit dem ich PARADOX gegründet habe unerwartet plötzlich gestorben ist. Dass es dennoch immer weiter gegangen ist, liegt aber auch einfach an meiner Mentalität nicht aufgeben zu wollen und allem zu trotzen was mir in die Quere kommt und Schaden zufügen will. Aufgeben ist ein Zeichen der Schwäche. Ich war auch nie ein Drückeberger. Ich stelle mich dem negativen selbstsicher gegenüber.

Ralf: Hast Du evtl. geplant, die neuen Stücke auch live zu präsentieren?

Charly: Nein, es sind keine Konzerte geplant, denn dazu bräuchte es ein beständiges Line-Up, welches sich im Proberaum trifft, um die Setlist zu üben, aber auch privat Zeit miteinander verbringt. 4 Freunde mit dem gleichen Ziel. Wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, dann kann man auch Konzerte spielen. Leider wachsen solche Musiker auf diesem Level und in der Gegend in der ich lebe nicht auf Bäumen. Dennoch ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Vielleicht gibt es ja irgendwann doch noch das ein oder andere Abschlusskonzert. Für „MYSTERIUM“ schließe ich es jedoch kategorisch aus. Ich möchte einfach nicht mehr mit Flugzeugen fliegen und zuhause alles liegen und stehen lassen. Ich möchte viel lieber neue Musik für die Hörer erfinden. Da hat man nachhaltig mehr davon.

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Ralf: Wenn Du mal zurück schaust, wie siehst Du die Entwicklung der Metalszene oder des Heavy Metals? Was war früher besser, was heute?

Charly: Als nach dem Hardrock der Heavy Metal entstand, zählte man zu einer Randgruppe in der Bevölkerung. Der Zusammenhalt untereinander war wesentlich größer als heute. Heute ist Heavy Metal aus der Musikwelt nicht mehr wegzudenken und das ist auch gut so. Allerdings ist das Überangebot an monatlichen Veröffentlichungen unübersichtlich geworden und führt häufig zur Spaltung mancher Fangruppen, aber auch zu Qualitätsverlust. Es gibt diese „Hater“ in den sozialen Netzwerken, die nur darauf aus sind jemanden zu schaden. Glücklicherweise hält sich das bei PARADOX stark in Grenzen. Viele hören sich einen Song einer Band an und zappen gleich weiter zur nächsten Band, ohne sich das Album in Ruhe anzuhören und es zu leben wie man früher ein Album inhaliert und mit ihm gelebt hat. Das Smartphone und das Internet haben aufgedeckt, wie viele Leute ticken und das bereitet mir große Sorgen. Es ist mehr ein gegeneinander als ein miteinander geworden. Nicht überall, pauschal, aber erheblich häufiger zu spüren als früher.

Ralf: Bist Du ein Social Media-Typ?

Charly: Nein und ich bin froh, wenn der Tag kommt, an dem ich Facebook und Co den Mittelfinger zeige und aus meinem Leben verbannen kann. Ich nutze es nur für meine PARADOX Kontakte oder zum Smalltalk mit Fans. Da es keine Live Konzerte gibt, möchte ich zumindest dort für die Fans erreichbar sein.

Ralf: Wer oder was hat Dich damals zum Metal gebracht?

Charly: Ich bin 1970 als 7 jähriger in meiner Schulbibliothek zufällig auf BLACK SABBATH`s „PARANOID“ gestoßen, weil man sich dort über Kopfhörer Vinylschallplatten anhören konnte. Als „WAR PIGS“ ertönte war es um mich geschehen. Verzerrte Gitarren. Düstere Stimmung und Kraft. Kein anderer Musikstil erzeugt so viel Wucht und Power wie Heavy Metal. Ich höre diese Musik seit 55 Jahren.

Ralf: Wenn Du zurück blickst, wie hat es damals angefangen, eine Metalband zu gründen? Ich glaube ihr wart damals nach dem „Mystery“ Demo mit „Pray To The Godz Of Wrath“ auf dem Teutonic Invasion Part One-Sampler vertreten...Ab dann ging's aufwärts (oder so ähnlich)

Charly: Angefangen hat es, weil man Fan von dieser Musik war und durch lernen eines Instrumentes, welches ermöglichte damit das gleiche zu tun, wie seine Idole. Ab dem Demo ging es schnell steil aufwärts. Das kann man wohl so sagen. Ab da stand das Telefon nicht mehr still. Das Demo wurde „Demo des Jahres“, das Debutalbum „Album des Monats“ und PARADOX zum Newcomer Nr 1 in Deutschland! Mit der größten Plattenfirma im Rücken, welche damals für Metal zuständig war dies ein sogenannter Traumstart.

Ralf: Letzte Worte an unsere Leser?

Charly: Ich grüße jeden einzelnen Leser und bedanke mich für jeglichen Support! MYSTERIUM“ ist es Wert zu lauschen. Es dauert ein, zwei Durchgänge bis es kommt, aber dann beginnt es mächtig zu wachsen. Es ist ohne Zweifel ein großartiges PARADOX Werk geworden, welches jeden PARADOX Fan, aber auch darüber hinaus gefallen dürfte! Wer auf Thrash, Speed und Power steht greift bedenkenlos zu und macht damit gewiss nichts falsch. Danke für deinen Support Ralf und Gruß an deine Kollegen! Cheerz!

Ralf: Vielen Dank & Alles Gute - Ralf

(Foto: Band)

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