Michael Schenker ist zweifelsohne einer der besten Gitarristen der Welt. Er war und ist ein schwieriger Typ, öffentlichkeitsscheu, sehr introvertiert, hatte immer Schwierigkeiten, sich ein einem Bandgefüge einzuordnen und lehnte in seiner langen Karriere u.a. Bandanfragen von DEEP PURPLE, OZZY OSBOURNE, THIN LIZZY AEROSMITH oder WHITESNAKE ab. Eddie Van Halen, Kirk Hammett, Slash, Richie Faulkner, Zakk Wylde oder Randy Rhoads bezeichneten ihn als größten Einfluss ihrer eigenen Karriere. So verließ das „German Wunderkind“ die SCORPIONS, um bei UFO 1973 einzusteigen und sie vom psychedelischen Rock zum melodiösen Hardrock und in die Weltspitze zu führen. Auf dem Höhepunkt von UFO verließ er die Band, stieg erneut bei den SCORPIONS ein und hatte erheblichen Anteil and dem laut Melody Maker einer der wichtigsten Heavy-Metal-Alben schlechthin, „Lovedrive“.
Aber Schenker wollte immer seine eigenen Stücke spielen, nicht die einer Band. Das sei stets sein Ziel und für seine Kreativität bestimmend gewesen: Zitat:“ „Das war nie meine Welt berühmt zu sein. Das passt mehr zu meinem Bruder Rudolf (Rudolf Schenker, SCORPIONS). Ich hatte nie Ruhm und Geld im Kopf, mir ging es immer nur um den Selbstausdruck mit meiner Gitarre“. Michael Schenker ist mit seinem Markenzeichen, der Flying V-Gitarre, unglaublich schnell, präzise und sagenhaft melodisch. Egal ob im Bandgefüge oder solo, sein Spiel ist einzigartig.
Nun erscheint am 28. März das ultimative 6-CD Box-Set mit dem Titel „Is It Loud Enough“ und implementiert die frühe, eigenständige MSG-Zeit nach den SCORPIONS und UFO. Das Set enthält die ersten vier Studioalben von 1980 bis 1983, in digital optimierter Klangqualität, Demo Versionen, seltene Monitor-Mixes, Radio Edits, 10 bisher unveröffentlichten Aufnahmen und Songversionen, 52-seitiges Booklet inklusive außergewöhnlicher Bilder und Interviews mit Michael Schenker, Gary Barden und Graham Bonnet.
Den Beginn macht das Debutalbum von 1980, betitelt als „The Michael Schenker Group“. Das Album entwickelt sich vom UFO-Sound fort und enthält eine Fülle von grandiosen Klassikern wie „Armed And Ready“, „Cry For The Nations“ „Into The Arena“ oder „Victim Of Illusion“. Fette Riffs, herausragende Melodien und Harmonien im Wechsel mit unglaublichen Soli machen das Debut zu einem Meilenstein der Rockgeschichte. Mit Gary Bardens rauer Rock-Röhre, dem perfekten Keyboardspiel des großen Don Airey (DEEP PURPLE), sowie Mo Foster am Bass und Simon Phillips an den Drums entstand ein Erfolgswerk. Schnelle Rocker wechseln sich ab mit verspielten, epischen Gitarrenexzessen des Meisters („Into The Arena“ oder „Bijou Pleasurette“).
Trotz permanenter Touraktivität legte Michael Schenker schnell nach und veröffentlichte 1981 bereits das Nachfolgewerk namens „MSG“. Er bleibt seinem Rockstil treu und verschmilzt auf eigene Art und Weise als Gitarrist der Siebzigerjahre mit dem Heavy-Metal der Achtziger. Melodisch und einprägsam kommt seine Musik, immer getragen von unglaublicher Soloarbeit analog vieler Hardrock-Bands im Zeichen frühen Achtziger wie DEEP PURPLE, RAINBOW und auch den SCORPIONS. Das Album enthält ebenfalls Klassiker, die bis heute unverzichtbar im Live-Repertoire von Michal Schenker enthalten sind. Dazu gehören die energetischen, schnellen Riff-Rocker wie „Attack Of The Mad Axeman“ oder „Ready To Rock“. Bereits hier erfand sich Michael Schenker ständig neu und umgab sich mit wechselnden Bandmitgliedern der Oberklasse; beim vorliegenden Album mit dem unvergleichlichen Cozy Powell an den Drums und Paul Raymond (UFO) an den Keyboards. Auch am Bass folgte ein Besetzungswechsel mit Chris Glenn, sodass nur Gary Barden neben Schenker in der Band verblieb. Erneut voller Power und kraftvoll führt der Saitenzauberer durch die Platte und brilliert. Subtil kommt die emotionale Ballade „Never Trust A Stranger“, wobei mein Favorit das sich sagenhaft steigernde „On An On“ ist. Alles wirkt so eingängig und mühelos, da die Melodiebögen so fein gesponnen sind und immer wieder durch die markerschütternde Gitarre durchdrungen werden. „But I Want More“ hat ebenfalls ein GitarrensoloSolo immanent, das seinesgleichen sucht und die enorme Anfangshärte melodisch aufweicht. Nach meiner Meinung ist dieses Album ein Meisterwerk und Gary Barden liefert seine beste Gesangsleistung ab.
Im Oktober 1982 erscheint das dritte Album der MICHAEL SCHENKER GROUP mit dem Titel „Assault Attack“. Wiederum ist es hochklassig und übertrifft aus meiner Sicht die Klasse des Vorgängers aufgrund des Shouters. Es wurde von Martin Birch (BLACK SABBATH, IRON MAIDEN, BLUE ÖYSTER CULT) produziert und ist das einzige Album mit dem ehemaligen RAINBOW-Sänger Graham Bonnet, der über eine markante Stimmintensität verfügt. Auch Schlagzeuger Cozy Powell wurde durch Ted McKenna ersetzt. „Assault Attack“ bietet erneut hochkarätige Perlen des harten, melodischen Rocks. „Assault Attack“, der Opener, ist knallhart und rifforientiert. Durch die neue Stimme klingen die schnelleren Songs noch härter. „Rock You To The Ground“ ist schleppender, tonnenschwerer Bluesrock, in das einzigartige gitarrenorientierte Schenker-Universum eingebettet. Abwechslungsreich geht „Dancer“ auf die Mainstreamschiene mit Reminiszenz zu RAINBOW`s „All Night Long“, aber Bonnet schreit sich auf der Scheibe fast die Seele aus dem Leib. Den vollen Stimmumfang liefert Graham Bonnet auf dem verspielten, ständig das Tempo wechselnde „Samurai“. Spätestens hier manifestiert sich der Wunsch, Michael Schenker hätte länger an diesem Sänger festgehalten. Die Brillanz der Gitarrenarbeit ist eh omnipräsent. „Broken Promises“ ist wiederum knüppelharter klassischer Hardrock. Ein tolles und abwechslungsreiches Album mit einem sehr dominanten und mitreißenden Sänger. Beim Abschlusssong „Ulcer“ zeigt der Protagonist noch einmal, wer das Sagen hat. Das vierminütige Instrumental ist ein melodischer Gitarrenexzess.
Nicht ganz auf dem Niveau präsentiert sich der Nachfolger „Built To Destroy“ von 1983. Das heißt nicht, dass es ein Fehlkauf darstellt und auch hier sind Klassiker wie „Walk The Stage“, „Rock My Nights Away“, „I’m Gonna Make You Mine” und “Captain Nemo“ vertreten. Insgesamt fällt das Werk aber poppiger und Mainstream-lastiger aus, was die Gitarrenqualitäten des Bandchefs allerdings nicht schmälert.
Aufgrund von Spannungen mit Graham Bonnet kehrte Gary Barden als Sänger zurück. Das nachfolgende Album sollte mit Robin McAuley unter dem Namen McAULEY SCHENKER GROUP entstehen. Schon gewohnt startet die Platte mit einem schnellen Rocksong, hier „Rock My Nights Away“, der allerdings zahmer und Keyboard-lastiger wirkt. „I`M Gonna Make You Mine“ ist ebenfalls sehr Rop-Rock-orientierter AOR mit memorablem Refrain. „The Dogs of War“ steigert sich durch die eindringliche Gitarrenbegleitung Michael Schenkers zu einer soliden Härte. Der Instrumental-Klassiker „Captain Nemo“ ist großartig. Auch das teilweise balladeske „Walk The Stage“ gefällt durch die Melodie und ein geniales Gitarrensolo. Fazit: Ein gutes Album aber uninspirierter und gediegener als die Vorgänger, dass etwas hinter den Erwartungen zurückbleibt. Enthalten auf der CD sind sowohl die UK- und US-Versionen.
Zwei weitere beiliegende CD´s dieses wunderbaren Boxsets sind wohl eher dem eingefleischten Fan gewidmet. Eine CD enthält Demos & Alternative Versions, also das gesamte Demoband von 1979, seltene Monitor-Mixe und Single-Versionen, eine weitere Disc kommt mit völlig unveröffentlichtem Material, frühen Studioaufnahmen und groben Monitor-Mixen. Im Box-Set sind alle Original-Album-Cover als Mini-LP-Hüllen mit Innenhüllen reproduziert enthalten. Das gesamte Material wurde von den Originalbändern bei AIR Mastering neu gemastert. Eine hochwertige Box mit herausragenden Songs eines einzigartigen deutschen Künstlers in perfektem Klang, die es lohnt sich zuzulegen. (Bernd Eberlein)
Bewertung:
8 / 10
Label: Chrysalis
Anzahl der Songs: 66 auf 6 CDs
Spielzeit: --:-- min
Veröffentlichungstermin: 29.03.2024