Ich muss gestehen, dass ich seit meinem ersten SLASH-Konzert mit MYLES KENNEDY von dem Sänger einfach nicht mehr losgekommen bin. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an sein zweites Solowerk. “Year Of The Tiger” war vielen zu akustisch geraten, dabei hat Myles eben das getan, was man auf einem Soloalbum tun sollte. Auch “The Ides Of March” ist weit weg von ALTER BRIDGE oder seiner Arbeit mit SLASH, aber nicht mehr so ruhig wie "Year Of The Tiger". Myles konzentriert sich auf seine musikalischen Wurzeln, was vielen sicherlich gut gefallen wird.
Unterhalte ich mich mit Kollegen und Musikbegeisterten über MYLES KENNEDY, gibt es eigentlich immer nur zwei Extreme. Die einen hassen seine Stimme, die anderen (wie ich) lieben sie und können gar nicht anders, als über sein musikalisches Schaffen zu schwärmen. Sein Solokonzert ist mir noch heute sehr gut in Erinnerung geblieben, und nicht allzu selten erzähle ich die ein oder andere Story davon gerne in illustrer Runde. Sein erstes Solo-Album “Year Of The Tiger” gefiel mir genau wegen des Unterschieds zu seinen Hauptbands, und auch “The Ides Of March” ist wieder ein richtiges Soloalbum geworden, diesmal aber deutlich rockiger und mit mehr “Gain”.
Das macht bereits der Opener “Get Along” klar, bei dem Myles auch textlich die aktuelle Weltsituation voll auf den Punkt bringt. Auch wenn es eigentlich um die Unruhen in Los Angeles 1992 geht, passt es extrem auf die aktuelle Situation in der Welt. Ein geradliniger Rock-Song, der perfekt als Opener dient. “A Thousand Words” ist nicht ganz so geradlinig und arbeitet mit sehr vielen Breaks und kurzen Pausen. Dadurch hat der Song einen ganz eigenen Rhythmus und entwickelt sich mit jedem Durchgang etwas mehr.. Als ich das erste Mal “In Stride” hörte, haute es mich regelrecht um. Das tut der Song nach wie vor, ich stehe einfach total auf Slide-Gitarren, wodurch mich der Song bereits ab der ersten Minute für sich gewonnen hat. Der Text handelt hier tatsächlich vom ersten Lockdown der aktuell vorherrschenden Pandemie, was auch im Video zum Song deutlich wird. Ein großartiges Stück mit extrem coolen Rhythmus und, falls ich es noch nicht erwähnt habe, einer extrem coolen Slide-Gitarre.
Der Titelsong macht seinem Namen alle Ehre und beginnt sehr ruhig und baut eine leicht bedrohliche Atmosphäre auf, bevor diese dann noch in der ersten Minute durch ein interessantes Gitarrenriff unterbrochen wird. Der anschließende Rhythmus kommt unerwartet daher und lädt sogar ein wenig zum Tanzen ein. Abwechslungsreich wäre hier wohl leicht untertrieben, eine großartige Nummer. Mit “Wake Me When It’s Over” beschreibt Myles wohl ziemlich auf den Punkt, wie sich derzeit viele fühlen dürften. Ein anständiger Rocksong, der Hoffnung macht für die Zukunft.
Auch “Love Rain Down” ist von der Pandemie beeinflusst und bezieht sich textlich auf die Zeiten, die wir gerade durchleben müssen. Höre ich die Worte “Corona Blues”, muss ich direkt an “Love Rain Down” denken, ein wunderschöner Akustik-Track, der die Zeit etwas besser durchstehen lässt. Unerwartet glücklich und Country-lastig kommt “Tell It Like It Is” daher textlich extrem unterhaltsam, und wie manche gerne zu sagen pflegen “Ich sag nur wie es ist”.
Auch “Moonshot” ist unerwartet anders im positiven Sinne. Es ist schier unglaublich, wie viel Abwechslung dieses Album zu bieten hat. Der Song strahlt sehr viel Optimismus aus und lässt auf die Zeit hoffen, wenn Konzerte noch mal möglich sein werden. Sie wird kommen, wir müssen nur durchhalten. Mit “Wanderlust Begins” schlägt er anschließend die Brücke zum ersten Solo-Album “Year Of The Tiger”. Bereits die ersten Klänge erinnern sehr stark an das Debüt, ein cooles Akustik-Stück.
Rockiger wird es mit “Sifting Through The Fire”, obwohl der Song sehr glücklich klingt, geht es um das ernste und derzeit vorherrschende Thema, dass niemand mehr sicher sein kann, was wahr oder falsch ist, mitunter dank den sozialen Medien. Wir alle dürften derzeit davon betroffen sein und kämpfen fast täglich damit oder dagegen an. Vielleicht sollte ich das zukünftig nur noch mit diesem Song im Hintergrund, dann wird es möglicherweise einfacher.
Der Abschluss mit “Worried Mind” gerät sehr ruhig und bluesig, das Solo ist genial und zeigt einmal mehr, wie fit Myles auf der Gitarre ist - bitte mehr davon Mr. Kennedy. Ein perfekter Abschluss eines wirklich großartigen zweiten Albums.
“The Ides Of March” ist genau das geworden, was ich mir erhofft habe. MYLES KENNEDY geht etwas rockiger ans Werk, ist aber noch immer etwas von seinen anderen Bands weit genug entfernt. Somit ist auch “The Ides Of March” ein reines Soloalbum und ich hoffe wirklich, dass er damit erneut auf Tour gehen wird, sobald dies eben möglich ist. Alle Fans, die von “Year Of The Tiger” enttäuscht waren, dürften auch hier auf ihre Kosten kommen, sofern die Scheuklappen zu Hause bleiben und kein ALTER BRIDGE-Album erwartet wird. (Pascal)
Anzahl der Songs: 11
Spielzeit: 51:29 min
Label: Napalm Records
Veröffentlichungstermin: 14.05.2021
Bewertung Album: