Es gibt interessante Entwicklungen im Ehemaligen-Nightwish-Lager. Wer hätte vor ein paar Jahren noch gedacht, dass Tarja Turunen und Marko Hietala wieder zusammen auf der Bühne stehen? Zwar hatten beide niemals nie gesagt und die Möglichkeit immer offen gelassen, aber so wirklich daran geglaubt haben wohl nur wenige. Wie eine Bombe schlug daher der Song „Left On Mars“ von MARKO HIETALA mit TARJA als Gastsängerin ein. Innerhalb weniger Monate wurde der Song fast 2 Millionen mal angehört. Obwohl er gar nicht mal so gut ist, meiner Meinung nach. TARJA solo habe ich schon ziemlich oft gesehen und sie konnte mich nicht nachhaltig überzeugen. Anders sieht es mit MARKO HIETALA aus, der einer der letzten Acts war, die ich vor Corona gesehen habe und auch sein letztes Soloalbum gefiel mir ziemlich gut. Und somit ist er eigentlich der Hauptgrund, dass ich doch wieder auf das Konzert gehe. Wobei ich die Ankündigung schon recht verwirrend fand. Denn (zumindest meiner Meinung nach) erweckten die Plakate den Eindruck, dass Tarja und Marko gemeinsam auf der Bühne stehen würden. Doch mehr dazu lest ihr weiter unten.
CHAOSEUM
Als Opener fungieren die Schweizer CHAOSEUM, die schon gleich zu Beginn klarstellen: „Wir sind zwar aus der Schweiz, aber wir sprechen kein Deutsch! Wir stammen aus dem französischsprachigen Teil!“ So ganz erschließt sich mir nicht, was diese Band im Package soll, doch sie waren vor einigen Jahren schon mal gemeinsam mit TARJA auf Tour. Optisch erinnern sie etwas an Corpse Bride, musikalisch sind sie Richtung Nu Metal unterwegs, was nun nicht gerade meine bevorzugte Stilrichtung ist. Die Mitglieder der Band sind wahlweise geschminkt oder tragen Masken und zumindest Gitarrist Kevin Sink macht mit seiner Gitarre optisch ordentlich was daher. Neben einigen alten Songs präsentiert die Band mit „Freaking Head“ auch einen Song vom demnächst erscheinenden Album. Musikalisch finde ich die Truppe an sich nicht schlecht, aber auch leider etwas nichtssagend. Ein Luftballon, der sich noch von irgendeiner Party unter der Decke der Garage befand fühlt sich wohl besonders zur Band hingezogen und schwebt immer wieder auf die Bühne zu, egal wie oft er von den Mitgliedern weggeboxt wird. Den Umgang mit allzu anhänglichen „Fans“ muss der Fünfer wohl erst noch lernen.
Setlist Chaoseum:
Unreal
I, Sexy Zombie
Stick Under My Skin
Smile Again
Freaking Head
My Wonderland
MARKO HIETALA
Als MARKO HIETALA samt Band die Bühne betritt wird mir dann auch mal klar, dass Marko und Tarja zwar zusammen touren, das aber nicht heißt, dass sie zwingend gemeinsam auf der Bühne stehen müssen. Ist auch egal, darum geht es mir gar nicht. Im Moment finde ich es einfach schön, endlich wieder MARKO HIETALA live auf einer Bühne zu sehen. Man merkt ihm seine Professionalität an und zwischen Singen und Bass spielen findet er auch noch Zeit fürs Posieren und Grimassen schneiden. Die Setlist enthält zunächst keine großen Überraschungen, es handelt sich um Songs seines letzten Soloalbums „Pyre Of The Black Heart“. Allerdings bekommen wir mit „Isäni ääni“ und „Juoksen Rautateitä“ die finnischsprachigen Originalversionen der Songs „The Voice Of My Father“ und „Runner Of The Railways“. Denn „Pyre Of The Black Heart“ ist ja „nur“ die englischsprachige Version seines Albums „Mustan Sydämen Rovio“, das schon davor erschienen war. Da ich die finnischen Versionen noch nicht gehört habe, freue ich mich darüber. Dann jedoch wird es interessant, denn der Musiker war in den letzten Jahren nicht untätig und hat ein weiteres Album aufgenommen. Das soll jedoch erst Anfang nächsten Jahres erscheinen, denn dieses Jahr war er in der finnischen Variante von „Sing meinen Song“ (Vain elämää) zu sehen, wo es wohl auch eine Veröffentlichung gibt und man habe ihm geraten „nicht mit sich selbst zu konkurrieren“. Also muss der vermutlich kleinere Markt, die Metalfans, noch etwas länger warten. Aber immerhin bekommen wir ein paar der neuen Songs, nämlich „Rebel Of The North“, „Frankenstein’s Wife“ und „Proud Whore“ (ein ruhiger Rocker, der an Deep Purple erinnert) zu hören. Und nicht zu vergessen, das Highlight, „Left On Mars“, zu dem Tarja Turunen auf die Bühne kommt und den Song gemeinsam mit der Band performt. Zum Ende des Auftritts wird Marko jedoch noch einmal ernst. Die Finnen sind von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ja ebenfalls betroffen, es kam zu Grenzschließungen und dem Eintritt Finnlands in die NATO. Marko widmet den nächsten Song also dem netten Herrn Putin, aber auch Despoten wie Victor Orban und Benjamin Netanjahu und wir bekommen – das sollte dann keine Überraschung mehr sein – ein Cover von BLACK SABBATHs „War Pigs“. Ein Song, der mir auch nicht mehr aus dem Kopf will. Erschreckend, dass ein so alter Song noch immer/wieder aktuell ist.
Setlist Marko Hietala:
Star, Sand And Shadow
Dead God's Son
Isäni Ääni
For You
Rebel Of The North
Frankenstein's Wife
Proud Whore
Juoksen Rautateitä
Left On Mars
Stones
War Pigs
TARJA
Dass Tarja Turunen zu Recht der Headliner des Abends ist, das zeigt sich, als die Finnin die Bühne betritt. So laut war der Jubel den ganzen Abend noch nicht. Als ich im Graben Fotos mache, ist Tarja kaum zu hören. Gut, vorne ist der Sound ja oft schlechter als hinten. Aber als ich nach den ersten drei Songs nach hinten gehe muss ich leider feststellen – dort ist es auch nicht wesentlich besser. Man hört v.a. das Schlagzeug, TARJA kommt gerade in den tiefen Passagen kaum beim Zuschauer an. Es ist nur ein unbestimmtes, unverständliches Geblubber. Man hat zwar das Gefühl, dass es im Laufe des Auftritts besser wird, aber ich glaube, man hat sich einfach nur dran gewöhnt. Sehr schade, dass TARJA den mit Abstand schlechtesten Sound des Abends hat. Bei Marko hat es schön geknallt, bei ihr ist es der reinste Soundmatsch. Ein wenig besser ist es bei „Oasis“ und „Shadow Play“ bei denen sich TARJA selbst am Keyboard begleitet. Ich muss sagen, dass mir die Sachen von TARJA einfach zu unaufregend und beinahe langweilig sind. Zwar nett, aber mehr auch nicht. Interessant wird es erst, als Marko Hietala wieder auf die Bühne kommt, um „seine alte Freundin“ zu begleiten. Die NIGHTWISH-Songs „Dead To The World“ und „Planet Hell“ bekommen den meisten Applaus. Auch bei den TARJA-Songs „Dark Star“ und „Dead Promises“ bleibt Marko auf der Bühne und übernimmt die männlichen Gesangsparts. Von jetzt an wird es spürbar besser und auch „I Walk Alone“ bekommt viel Applaus. Kurz darauf ist dann der Auftritt überraschend schnell zu Ende. Doch für die Zugabe hat man sich einen echten Hammer aufgehoben: „Wish I Had An Angel“, einer der härtesten NIGHTWISH-Songs, zu dem natürlich Marko wieder auf die Bühne kommt. Und es hätte auch der letzte Song sein und den Auftritt mit einem Knall beenden können – „Until My Last Breath“ danach hätte ich eigentlich nicht mehr gebraucht, der hat die Stimmung doch wieder etwas runtergezogen. Alles in allem hat der Auftritt von TARJA – abgesehen vom Sound – deutlich mehr Spaß gemacht, als ich im Vorfeld erwartet hatte. Das lag jedoch vor allem an den NIGHTWISH-Songs, die durch Markos Präsenz nochmal aufgewertet wurden, ihr eigenes Material überzeugt mich dagegen nicht wirklich. Allerdings bietet diese Tour einige herrliche Bonbons für alte NIGHTWISH-Fans der Tarja-Ära. Auch optisch wurde einiges geboten, denn Tarja wechselte ganze vier Mal während des Abends ihr Outfit.
Setlist Tarja Turunen:
Eye Of The Storm
Demons In You
Falling Awake
Die Alive
I Feel Immortal
Oasis
Shadow Play
Dead To The World
Dark Star
Dead Promises
Planet Hell
I Walk Alone
Victim Of Ritual
--------------------------------
Wish I Had An Angel
Until My Last Breath Etwas nervig waren jedoch die teils elend langen Umbaupausen, wo auch schon mal 20 Minuten gar nichts passierte. Da hätte das Konzert locker 30 bis 45 Minuten früher rum sein können, wenn nicht so lange zwischen den einzelnen Bands einfach nichts passiert wäre. Dass Tarja einen Telepromter verwendet war irgendwie auch befremdlich. So alt ist sie doch noch nicht. Aber am schlimmsten war der grottenschlechte Sound bei TARJA. Nicht nur deshalb war für mich persönlich MARKO HIETALA das Highlight des Abends und alleine dafür hat es sich schon gelohnt. Insgesamt aber ein wirklich netter Konzertabend, der deutlich besser war, als ich im Vorfeld erwartet hatte. (Anne)
Tarja + Marko Hietala + Chaoseum (Fotos: Anne)