Die FMA, die Faroese Music Awards, schaue ich mir jedes Jahr an. Da diese im färöischen Fernsehen übertragen werden, kann man sie online auch in Deutschland sehen. Es ist immer sehr interessant, so unglaublich viele Freunde und Bekannte im Fernsehen zu sehen. Bei den FMA gab es in den letzten Jahren viele Änderungen und Neuerungen. Da ist auch dieses Jahr keine Ausnahme, ganz im Gegenteil. Zum allerersten Mal überhaupt findet die Veranstaltung nicht in Tórshavn statt, sondern in Klaksvík, im neuen großen Veranstaltungsgebäude „Varpið“. Auch das Moderatorenteam ist komplett neu und besteht aus Rannvá Fossaberg und Jákup Dahl, die nicht auf der Bühne stehen, sondern mitten im Publikum, auf Augenhöhe mit diesem und zwischen den Bühnen. Denn nun gibt es sogar zwei Bühnen – eine große am Rand, auf der die Bands auftreten und eine kleine, ebenfalls mitten im Publikum, auf der die Preise verliehen werden. Selbst das Jingle ist neu – hier gab es im Vorfeld einen Wettbewerb, den der erst 16 Jahre alte Aron Højgaard gemeinsam mit seinem Musiklehrer Jens L. Thomsen gewonnen hat. Auch er bekommt eine FMA-Trophäe für diese Leistung (es ist übrigens das erste Jingle, das er jemals geschrieben hat).
Eine weitere Neuerung ist, dass in diesem Jahr die „Spæl-Føroyskt-vika“ (Spiel-färöisch-Woche), bei der im Radio nur färöische Musik gespielt wird und täglich Konzerte färöischer Musiker*innen stattfinden, getrennt von den FMA stattfand. Normalerweise ist diese Woche Anfang März und samstags bilden die FMA den Abschluss. In diesem Jahr fand jedoch die „Spæl-Føroyskt-vika“ wie üblich Anfang März statt, die FMA selbst jedoch erst Ende März. Das war auch der Grund, warum ich dieses Jahr nicht vor Ort war, denn ich hätte gerne beides erlebt.
Wie im letzten Jahr starten die Faroese Music Awards direkt mit der Hauptsache, der Musik, und HAMRADUN heizen dem Publikum mit „Nætur Níggju“ (dessen Titel falsch als „Níggju Nætur“ eingeblendet wird) ordentlich ein. Das war dann musikalisch auch schon das härteste, was geboten wird, denn die FMA „vergessen“ Rock und Metal recht gerne mal.
Was die Auftritte der Bands angeht, so setzt man dieses Jahr wieder auf die einzelnen Musiker und nicht wie im letzten Jahr auf teils interessante, teils abenteuerliche Zusammenstellungen. Eine Besonderheit ist der Auftritt von LENA ANDERSSEN, die ihren neuen Song „Dugir Tú At Tosa Føroyskt?“ (Kannst du Färöisch sprechen?) präsentiert. Die Sängerin ist in Kanada aufgewachsen und dies ist ihr erster Song überhaupt in färöischer Sprache. Wie die Moderatoren im Anschluss einstimmig feststellen: Ja, Lena kann Färöisch. Interessant ist auch der Auftritt von FLYTIFÓLK (Umgezogene), eine Band, die nur aus Zugezogenen besteht. Mit Anna Hüdepohl gibt es hier auch eine deutsche Beteiligung. Pop-Diva-Feeling bringt TAMARA mit „Drip“ und einem heißen Outfit, romantisch wird es bei BEINIR mit „Romeo“. Gegen Ende kehrt man dann doch wieder zu den Kombinationen verschiedener Künstler zurück, allerdings deutlich passender als im letzten Jahr.
So präsentieren GØ und GÓWA eine ganz eigene, jazzige Version von GÓWAs Stück „I’ve Never Tried This Before“. Hier hat man dann, wie Moderator Jákup bemerkt, gleich zwei FMA-Gewinner zusammen auf der Bühne. Ganz am Ende der Show gibt es dann auch zwei Mariusse auf der Bühne, als MARIUS DC und MARIUS ZISKA zusammen den Song „Listamaður“ (von MARIUS DC) performen.
Beim Preis für den Text des Jahres werden in diesem Jahr erstmals Nominierte bekanntgegeben, gewonnen hat den Preis dann Trygvi Danielsen, besser bekannt als SILVURDRONGUR. Seine Dankesrede fällt dabei nicht nur lang, sondern auch feministisch aus. Was für ein netter Kerl der Rapper ist, zeigt er dann etwas später, als er auch den Preis für das beste visuelle Zusammenspiel erhält. Denn hier ruft er Gwenaël Akira Helmsdal Carré auf die Bühne, der ja der eigentlich Verantwortliche für das Plattencover sowie den Kurzfilm zum Album ist, und drückt ihm kurzerhand die Trophäe in die Hand. „Das ist dein Preis!“. Der Fotograf und Filmemacher ist leicht überfordert, aber freut sich natürlich auch über diese nette und anerkennende Geste.
Daneben gibt es wie in den letzten Jahren schon diverse vorab gedrehte Einspieler, zum Beispiel Grüße von Greta Svabo Bech aus ihrer Wahlheimat Frankreich, je einen Bericht über den Organisten Ari Hammer Joensen, über das Klaksvíkar Hornorkestur (angeblich gibt es mehr Hornorchester als Orte auf den Färöern), über die Veranstaltungsreihe „Open Mic“ des Reinsaríið und über die Musikschule in Vestmanna. Für mich persönlich am unterhaltsamsten ist der Einspieler, der einen typischen Tourtag von EIVØR dokumentiert, einfach, weil ich so viele Leute dieser Truppe kenne. EIVØR ist auch gerade wieder auf Tour, von daher passt das perfekt.
Lustig ist auch die Preisverleihung für den Musikexporteur/Promoter des Jahres. Den Preis bekommt nämlich der Felagið Føroysk Tónaskøld, die Vereinigung Färöischer Musiker, für die Ausrichtung der World Music Days (siehe auch Tjaldur Nr. 71, S. 90). Als deren Vorsitzender wird Sunleif Rasmussen auf die Bühne gerufen, doch der ruft gleich Kristian Blak (den er „Mr. Festival“ nennt) hinzu, dazu Heðin Ziska Davidsen und Guðrið Hansdóttir, da diese für die Durchführung der World Music Days laut seiner Aussage mindestens so wichtig waren wie er selbst. Seit 1923 findet dieses Festival statt, jedes Jahr in einem anderen Land. Sunleif meint, dass er und Kristian es also nicht mehr erleben werden, wenn es wieder auf den Färöern stattfindet. Wie es überhaupt dazu kam, dass die Färöer im letzten Jahr Ausrichter des Festivals waren, das soll Kristian erklären. Und der sagt in seiner gewohnt verschmitzten, direkten Art: „Jemand anderes hat abgesagt!“. Denn eigentlich sollte das Festival 2024 in Prag stattfinden, was aber aus diversen Gründen nicht funktionierte. Und da man auf den Färöern ja gerne spontan ist, bot man sich für die Durchführung des Festivals an.
Aber es gibt auch sehr emotionale Momente auf den FMA. Tragischerweise ist der beliebte und berühmte Country-Musiker Hans Jacob Hjelm, gerade einmal 54 Jahre alt, erst vor kurzem, am 16. März, bei einem Unfall ums Leben gekommen. Zu seiner Beerdigung erschienen so viele Leute, dass der Gottesdienst in gleich zwei Hallen übertragen werden musste. In einem Einspieler werden noch einmal Ausschnitte der letzten Interviews mit ihm gezeigt. Danach haben viele im Publikum Tränen in den Augen und es gibt besonders langen Applaus.
Den Preis für sein Lebenswerk erhält in diesem Jahr Martin Christian Restorff, bekannter als MC Restorff. Bevor er den Preis bekommt, gibt es jedoch das auf den Färöern so beliebte gemeinsame Singen. Unter der Anleitung von GØ und GÓWA wird das Stück „Føringur“ gesungen. Der Text wird auf einer Leinwand eingeblendet, aber die meisten brauchen das wohl gar nicht. Alle im Saal singen mit, egal, welche musikalische Stilrichtung sie sonst repräsentieren. Metal, Pop, Rock, Soul, Jazz, Rap – beim gemeinsamen Singen kommen alle zusammen. In diesem Jahr wird auch zuerst der Preis verliehen, dann erfolgt der Rückblick auf das Leben des altgedienten Musikers. Am Ende seiner Dankesrede beginnt MC Restorff zu singen – und wieder singen ganz viele mit, auch ohne eingeblendeten Text. Seine Lieder sind einfach im ganzen Land bekannt.
Etwas aus der Reihe tanzt auch Helena Heinesen Rebensdorff, besser bekannt als BRIMHEIM, die zum einen in ihrem extravaganten Kleid optisch sehr auffällig ist, zum anderen hält sie ihre Dankesrede(n) aber auch teilweise auf Englisch, da sie auch einen großen Dank an ihre Frau richtet, die aus den USA stammt und kein Färöisch spricht.
Insgesamt ist die Sendung „Faroese Music Awards“ wieder eine tolle Möglichkeit gewesen, sich einen aktuellen Überblick über die färöische Musikszene zu verschaffen – solange man nicht die extremeren Musikrichtungen bevorzugt, denn leider werden Rock und Metal noch immer stiefmütterlich behandelt. Schade, denn gerade in diesem Bereich erschienen im letzten Jahr einige sehr gute Alben. Interessant ist auch, dass in diesem Jahr EIVØR keinen einzigen Preis gewonnen hat, obwohl sie in diversen Kategorien nominiert war. In früheren Jahren war es immer etwas langweilig, da sie immer gewann, wenn sie nominiert war. Von daher ist das für die Sängerin vielleicht nicht so schön, für den Zuschauer machte es die Preisverleihung aber doch spannender.
Nominiert waren die folgenden Musiker/Bands:
Aufsteiger des Jahres:
GÓWA
ÓKENDIR
HETTARHER
JÓLASOUL
SIMONA PAULA
Produzent des Jahres:
EIVØR – „Enn“
SUNLEIF RASMUSSEN – „Regin Smiður“
LENA ANDERSEN – „State Of The Land“
HELENA HEINESEN REBENSDORFF – „Ratking“
PAULI Í SANDAGERI – „Drópi Ert Tú, Ein Sangur um Lívið“
Musiker des Jahres:
HARALD FONSDAL JOHANNESEN
ARI JOHANNESEN
JÓN FESTIRSTEIN
RÓGVI Á RÓGVU
KRISTIAN PAULI ELLEFSEN
Visuelles Zusammenspiel:
AGGRASOPPAR – “Døgurðaslang/Midnáttarsang”
JOE & THE SHITBOYS – „The Reason For Hardcore Vibes III“
HAMFERÐ – „Men Guðs Hond Er Sterk“
SILVURDRONGUR – „Nú Æt Eg Eftir Ánni“
EIVØR – „Enn“
Song des Jahres:
BEINIR – „Romeo“
LENA ANDERSSEN – „Dugir Tú At Tosa Føroyskt“
EIVØR – „Hugsi Bert Um Teg“
ÓKENDIR – „Tosa Við Meg“
GUÐRIÐ HANSDÓTTIR & HEIÐRIK – „Setandi Sól“
Veröffentlichung des Jahres:
TJANT – „Ógreiða“
GØ – „Aevir, Amen“
FLYTIFÓLK – „Flytifólk“
SUNLEIF RAMUSSEN – „Regin Smiður“
JÓSEF ZACHARIASSEN – „Fugloy“
Album des Jahres:
BRIMHEIM – „Ratking“
EIVØR – „Enn“
LENA ANDERSSEN – „State Of The Land“
HAMFERÐ – „Men Guðs Hond Er Sterk“
LEA KAMPMANN – „Seinferð“
Text des Jahres:
SILVURDRÓNGUR – „Mánadrongur“
LEA KAMPMANN – „Nú Ert Tú Moldin“
EIVØR – „Lívsandin“
AGGRASOPPAR – „Tekin Uppá Lív“
HAMRADUN – „Nætur Níggju“
Die Gewinner sind:
Radiohit des Jahres:
Beinir – „Romeo“
Aufsteiger des Jahres:
GÓWA
Produzent des Jahres:
HELENA HEINESEN REBENSDORFF – „Ratking“
Musiker des Jahres:
JÓN FESTIRSTEIN
Visuelles Zusammenspiel:
SILVURDRONGUR – „Nú Æt Eg Eftir Ánni“
Song des Jahres:
BEINIR – „Romeo“
Text des Jahres:
SILVURDRÓNGUR – „Mánadrongur“
Musikexporteur/Promoter des Jahres:
Felagið Føroysk Tónaskøld
Veranstaltung des Jahres:
Økistónar
Veröffentlichung des Jahres:
GØ – „Aevir, Amen“
Album des Jahres:
BRIMHEIM – „Ratking“
Preis für das Lebenswerk:
Martin Christian Restorff
Allen Gewinnern sei herzlich gratuliert.
(Anne)