Wirft man einen neutralen Blick zurück auf das inzwischen abgeschlossene Jahr 2019, dann fällt eine Einordnung, ob es ein eher gutes oder ein eher schlechtes Jahr war, gar nicht so einfach. 2019 fühlt sich rückblickend betrachtet als „ok“ an, auf der Suche nach Highlights oder Dingen, die besondere Erwähnung verdienen, wird man aber gar nicht so leicht fündig. 2019 war auf jeden Fall ein Jahr der Jubiläen und verglichen mit 50 Jahre Woodstock (15.08.2019), 50 Jahre Mondlandung (21.07.2019), 30 Jahre Mauerfall (09.11.2019) verdient 20 Jahre Neckbreaker Magazin (13.09.2019) eigentlich kaum eine Erwähnung, trotzdem ist es für uns selber schon etwas Besonderes nun bereits seit über zwei Dekaden als wirklich freies und unabhängiges Magazin dabei zu sein.
Und der Gedanke zurück an die Anfänge verdeutlicht einem wieder schlagartig wie sehr sich das Musikbusiness mit all seinen Facetten und damit einhergehend auch der Musikjournalismus in dieser kurzen Zeit verändert hat. War 1999 das Internet für viele Menschen noch etwas bahnbrechend Neues, ist „das Netz“ inzwischen aus unser aller Welt gar nicht mehr wegzudenken mit all seinen positiven und negativen Seiten. Für schreibende Journalisten wird es jedenfalls zunehmend schwieriger Gehör zu finden, Meinungen zu bilden oder schlicht und sachlich zu informieren.
Musikalisch war 2019 erneut ein Jahr der Abschiede (SLAYER), aber auch der Reunions (MÖTLEY CRUE). Wirft man einen Blick in die alljährlich stattfindenden Umfragen und Polls, dann fällt einem nochmals stärker als in vorherigen Jahren auf, dass sich die Heavy Metal Szene immer mehr diversifiziert, man findet kaum mehr Bands, auf die sich die breite Masse an Fans einigen können, selbst die „neuen“ Headliner der Szene wie PARKWAY DRIVE, FIVE FINGER DEATH PUNCH, SABATON, AVANTASIA und POWERWOLF haben vom Gefühl her und vermutlich auch faktisch genauso viele „Hater“ wie „Follower“. Der jungen Generation (15 – 25 Jahre) der Fans mag das egal sein, aber für diejenigen, die bereits seit 15 oder 20 oder 30 Jahren dabei sind, fühlt es sich merkwürdig an, dabei würde mehr Miteinander und mehr Respekt in allen Bereichen unseres Lebens gut tun.
So fällt es dann auch wirklich schwer, sich auf ein prägendes Album des Jahres zu einigen. Selbst das neue RAMMSTEIN Album, immerhin das erste seit zehn Jahren, ist inzwischen schon wieder in Vergessenheit geraten. Und wenn eine Band wie THE WHO 54 Jahre nach ihrem „My Generation“ Debüt zu einem neuen Studioalbum ansetzt, interessiert das kaum jemanden mehr in der Öffentlichkeit. Andere große Namen wie IRON MAIDEN, AC/DC, GUNS N ROSES oder METALLICA haben in diesem Jahr erst gar nichts neues veröffentlicht, das ist vielleicht aber auch gut so, denn auch die Liste der Musiker, um die man sich ernsthaft Sorgen machen muss, wird immer länger und länger.
Und auch in der Pop-Welt sieht es nicht besser aus, eigentlich sogar noch schlechter, Künstler wie PINK oder ED SHEERAN, die eine breite Masse ansprechen könnten, reihen inzwischen eine musikalische Belanglosigkeit an die nächste, da ruhen die Hoffnungen für 2020 einzig und allein auf ADELE.
Wie dem auch sei, in der Rock und Metalszene sind es auch 2019 eher die „kleineren“ und „mittleren“ Bands gewesen, die mit viel Leidenschaft und Herzblut für die Glanzlichter gesorgt haben und auch das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Ich bin auf jeden Fall sehr gespannt zu erfahren, was meine Kolleginnen und Kollegen aus der Redaktion als Höhepunkte und Tiefpunkte empfunden haben.
Hoch die Tassen auf ein gutes Jahr 2020! „Keep On Rocking In The Free World“ (Maik)
Alben des Jahres:
EVERGREY – The Atlantic
EWIGHEIM - Irrlichter
LIGHTHOUSE IN DARKNESS – The Melancholy Movies
TÝR – Hel
EIVØR – Live In Tórshavn
HAMFERÐ – Ódn (EP)
ROTTING CHRIST – The Heretics
DEVIN TOWNSEND – Empath
BAEST – Venenum
CRANIAL – Alternate Endings
BORKNAGAR – True North
NOEKK – Waltzing In Obscurity
FVNERAL FVKK – Carnal Confessions
LEPROUS – Pitfalls
VOYAGER – Colours In The Sun
ALCEST – Spiritual Instinct
HAMRADUN – Hetjuslóð
BLIND GUARDIAN – Legacy Of The Dark Lands
RAMMSTEIN – Rammstein
AVANTASIA – Moonglow
AVATARIUM – The Fire I Long For
(keine wertende Reihenfolge)
Beste Livererlebnisse:
PUNGENT STENCH in Weinheim
EWIGHEIM, LACRIMAS PROFUNDERE in Stuttgart
CLOUDS in Valkenburg – mein erstes Konzert in ‘ner ehemaligen Mine
Faroese Music Awards
ADAM WAKEMAN & DAMIAN WILSON in Venlo
AVANTASIA in Saarbrücken
Durbuy Rock Festival – Open Air mit Schnee war mal was Neues.
MARIUS ZISKA in Kappelrodeck
HAMRADUN in Genner und Odense
DEMONS & WIZARDS in Saarbrücken
AYREON in Tilburg
KATLA. in Sint-Niklaas
DAMIAN WILSON in Breda
ANTIMATTER auf dem Metal Gates und Hammer Of Doom
EIVØR PÁLSDOTTIR in Strasbourg
MOONSPELL, ROTTING CHRIST in Esch-sur-Alzette
D-A-D in Mannheim
AHAB in Stuttgart
HAMFERÐ und CLOUDS auf dem Metal Gates
COMMUNIC und TÝR auf dem Karmøygeddon
VOYAGER auf dem ProgPower
Beste Videoveröffentlichung:
Gleiches wie 2018: keine Ahnung. Habe 2019 nicht eine DVD gesehen.
Neuentdeckung 2019:
ANTIMATTER – Ich bin immer noch völlig fassungslos, wie diese Band bisher so komplett an mir vorbeigehen konnte. Obwohl das genau mein Ding ist und obwohl die jahrelang bei Prophecy unter Vertrag waren. Und dann muss ich bis nach Bukarest gurken um sie endlich zu entdecken.
NOEKK – Noch so eine Band die ich eigentlich kennen sollte, die aber bisher immer an mir vorbeigegangen ist. Zum Glück von einem färöischen Bekannten drauf aufmerksam gemacht worden.
CRANIAL – Eigentlich fallen die noch ins letzte Jahr, als ich sie Ende Dezember als Vorband von AHAB gesehen habe; ich zähle sie trotzdem hier auf. Auch das neue Album konnte absolut überzeugen.
MGLA – auf facebook empfohlen bekommen, live gesehen und für gut befunden. Jetzt muss ich mich nur noch durch die Alben wühlen.
Enttäuschungen 2019:
Hm. Da fällt mir jetzt nicht wirklich was ein. Also, zumindest musikalisch. Da isses vielleicht enttäuschend, dass ich es nicht geschafft habe, so viele Alben anzuhören wie ich das gerne gewollt hätte. Ansonsten ist die Welt an sich recht enttäuschend. Man hat das Gefühl, man erlebt Geschichte rückwärts. Auf einmal wird wieder diskutiert, ob die Erde rund oder flach ist, ob Impfungen wirken oder gar schädlich sind, die angeblichen christlichen Werte des Abendlandes sind vergessen, sobald ein Bedürftiger vor der Tür steht, rechtes Gedankengut wird salonfähig und wissenschaftliche Fakten, die seit 40, 50 Jahren bekannt sind werden lieber angezweifelt anstatt endlich mal etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen.
Besondere Ereignisse 2019:
Ein ganz großes Highlight war auf jeden Fall die Einladung zu den Faroese Music Awards, wo uns fast eine ganze Woche ein Programm rund um die färöische Musikszene geboten wurde und wir live an der Preisverleihung teilnehmen durften.
Ansonsten im Großen und Ganzen mal wieder meine Konzertreisen, die mich in insgesamt 9 Länder zwecks Musikgenuss geführt haben. Irgendwie stand in diesem Jahr auch jeder Urlaub im Zeichen der Musik. Im Mai ging es nach Norwegen zum Karmøygeddon. Im Juni auf den Färöern haben wir ganz unterschiedliche Konzerte an den unterschiedlichsten Locations besucht, sei es nun Blues in einem Café, Punk in einer Kneipe oder ein Klavierkonzert im Nordlandhaus. Nur das Konzert in der Höhle, weswegen wir überhaupt erst hingefahren sind, wurde leider abgesagt (Ha! Da wäre dann doch eine musikalische Enttäuschung). Im Oktober ging es dann zuerst zum Prog Power in die Niederlande („Warum sind hier eigentlich alle so nett?“) und dann nach Rumänien zum Metal Gates Festival. Und es ist einfach großartig, wenn man auf einem Festival, das 2.000 km von zu Hause entfernt ist, schon am ersten Abend gleich 10 Leute kennt.
Bei meinen ganzen Reisen habe ich wieder wahnsinnig viele Leute aus unheimlich vielen Ländern wie Grönland, Island, Schweden, Rumänien, Norwegen, Slowenien, Slowakei, England oder Spanien kennengelernt und daraus ist auch so manche Freundschaft entstanden. Auch dieses Jahr gab es wieder sehr schöne und witzige Aftershowparties zu erleben, sei es jetzt auf dem Karmøygeddon („Warum hast du nicht angerufen?“ „Du hast dein Handy doch sowieso nicht dabei.“ „Woher willst du das wissen, wenn du es nicht mal versuchst?“ „Hast du es dabei?“ „Nein.“), auf einem alten färöischen Segelboot in Odense („Wirst du eigentlich seekrank?“ „Wie, jetzt?“ „Ja.“ „Wir liegen im Hafen!“) oder in einer Kneipe in Bukarest, auf der ewigen Flucht vor Nosferatu („Want some grapes?“).
Vorfreude auf 2020:
Wie im letzten Jahr hoffe ich auf die NECROLEPSIA-EP. Und hoffe, dass es wieder mit HAMRADUN in Dänemark klappt, weil das einfach immer großartig ist (mittlerweile weiß ich: Es wird klappen). Ansonsten freue ich mich schon jetzt auf die viele Konzerte im ersten Quartal, die schon fest eingeplant sind. Darunter auch das Jubiläumskonzert von TÝR zusammen mit dem färöischen Symphonieorchester. Darauf bin ich wirklich gespannt. Und außerdem kann man das praktischerweise wieder mit einem Urlaub verbinden.
Was sonst noch wichtig war 2019:
Ich habe es wieder geschafft, im Schnitt pro Woche ein Konzert zu besuchen. Obwohl das nicht mein Ziel war und obwohl ich auf einigen nicht war, auf die ich eigentlich wollte. Denn leider war die eigentliche Arbeit zwecks Broterwerb dieses Jahr viel zu wichtig und viel zu stressig.
Wie in jedem Jahr sind mal wieder zu viele von uns gegangen. Darunter auch Marie Fredriksson, womit auch ROXETTE endgültig gestorben sind. Es war absehbar, aber es tut dennoch weh.
Auf der anderen Seite haben gleich mehrere meiner Freunde mit dem Sensenmann geflirtet, sind aber immer noch hier und das bleibt auch hoffentlich noch lange so.